Französische Revolutionskriege

Französische Revolutionskriege
I
Französische Revolutionskriege
 
Angesichts der politisch-sozialen Bedrohung durch die Französische Revolution trat der preußisch-österreichische Gegensatz zurück. 1791 vereinbarten Kaiser Leopold II., ein Bruder der französischen Königin Marie Antoinette, und der preußische König Friedrich Wilhelm II. die Pillnitzer Konvention, die zur Intervention in Frankreich aufrief und der französischen Volksvertretung 1792 den Vorwand zur Kriegserklärung lieferte. Mit der Kanonade von Valmy und dem preußisch-österreichischen Rückzug im September 1792 erzielten die französischen Truppen erste Erfolge. 1793 bildete sich unter dem Eindruck der Hinrichtung Ludwigs XVI. eine europäische Koalition gegen Frankreich. Den französischen Revolutionsführern gelang es, mit einem militärischen Massenaufgebot (»Levée en masse«) alle Kräfte des Volkes im nationalen Verteidigungskrieg zu mobilisieren; französische Siege führten zur Besetzung der österreichischen Niederlande und linksrheinischer Reichsgebiete. Im Basler Frieden von 1795 konnte Frankreich das bereits mit der 3. Polnischen Teilung befasste Preußen neutralisieren. Kaiser Franz II., der sich ebenfalls einen Teil des polnischen Gebietes sicherte, und die deutschen Reichsstände wurden zwei Jahre später durch die Siege Napoleon Bonapartes in Oberitalien und den französischen Vormarsch in die österreichischen Erblande zum Frieden von Campoformio gezwungen, in dem der Kaiser auf die österreichischen Niederlande, Mailand, Modena, Mantua und den Breisgau verzichtete, in Geheimartikeln der Abtretung des linken Rheinufers von Basel bis Andernach zustimmte und dafür die venezianischen Besitzungen erhielt. Der Rastatter Kongress (1797-99) über die Ausführung dieser Beschlüsse wurde jäh abgebrochen, als der Krieg einer zweiten, zwischen Österreich, Russland und Großbritannien geschlossenen Koalition gegen Frankreich ausbrach. Nach dem Rückzug Russlands aus dem Bündnis errang Napoleon Bonaparte, seit Ende 1799 Erster Konsul, 1800 Siege in Italien (Marengo) und in Süddeutschland (Hohenlinden), die 1801 zum Frieden von Lunéville führten: Der Kaiser erkannte die Abtretung des linken Rheinufers an.
II
Französische Revolutionskriege,
 
die Kriege, die das revolutionäre Frankreich 1792-1802 gegen die europäischen Koalitionen führte; diese werden zusammen mit den Napoleonischen Kriegen von 1805 und 1806/1807 auch als Koalitionskriege bezeichnet.
 
Der Krieg der ersten Koalition gegen Frankreich
 
(1792/93-97): Die zunächst von wohlwollender Zurückhaltung bestimmte Politik Österreichs und Preußens gegenüber der Französischen Revolution wandelte sich 1791/92 unter dem Eindruck der Abschaffung der Privilegien, die auch die Rechte deutscher Reichsstände im Elsass berührten, und der wachsenden Bedrohung der königlichen Familie in Gegnerschaft. Nachdem die beiden Mächte in der Deklaration von Pillnitz (27. 8. 1791 in diplomatisch vorsichtiger Form an die Solidarität der europäischen Souveräne appelliert hatten, schlossen sie nach heftigen Auseinandersetzungen mit Frankreich wegen der antirevolutionären Aktivität der Emigranten in den westlichen Reichsterritorien am 7. 2. 1792 ein Verteidigungsbündnis. Auf Drängen der Girondisten musste Ludwig XVI. am 20. 4. 1792 den Krieg an Österreich erklären, dem sofort Preußen und im September Sardinien beisprangen. Der Vormarsch der preußischen Truppen und das Koblenzer Manifest des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (25. 7. 1792 weckten das französische Nationalgefühl (Entstehung der Marseillaise; Parole »la patrie en danger«); der Krieg wurde zum Mittel zur Ausbreitung der Revolutionsideen. Mit der Kanonade von Valmy (20. 9. 1792 begannen der preußische Rückzug und der französische Vormarsch: Besetzung der österreichischen Niederlande durch den Sieg C. F. Dumouriez' bei Jemappes (6. 11. 1792, Annexion von Savoyen und Nizza (22. 9. 1792 und Eroberungszug des Generals A. P. Graf von Custine durch die Pfalz (Einmarsch in Mainz 21. 10. 1792, hier Gründung einer Republik nach französischem Muster).
 
Der Kriegseintritt Großbritanniens und Spaniens, denen Frankreich den Krieg erklärt hatte, sowie der Generalstaaten vervollständigte im Frühjahr 1793 die erste Koalition. Am 22. 3. 1793 beschloss der Reichstag den Krieg. Die Österreicher gewannen durch den Sieg bei Neerwinden (Provinz Brabant, 18. 3.) die Niederlande zurück, die Preußen Mainz (23. 7.). In Südfrankreich besetzten die Briten am 29. 8. den Kriegshafen Toulon, mussten aber am 18. 12. kapitulieren (erste Auszeichnung Napoléon Bonapartes). Gegensätze in der Koalition, Änderungen im französischen Kriegs- und Heerwesen (Aufstellung von Volksheeren - »Levée en masse« - durch L. Carnot, Anwendung der neuen Tirailleurtaktik) führten 1794 zu großen französischen Erfolgen: Wiedereroberung der österreichischen Niederlande (Schlacht bei Fleurus, Provinz Hennegau, 26. 6. 1794) und fast des gesamten linken Rheinufers sowie Eroberung der Generalstaaten (seit 26. 1. 1795 Batavische Republik).
 
Preußen schied am 5. 4. 1795 unter Verzicht auf seine Besitzungen auf dem linken Rheinufer durch den Basler Frieden (5. 4. 1795, dem auch Spanien beitrat (22. 7. 1795, aus dem Krieg aus. Eine Demarkationslinie (Vertrag von Basel 17. 5. 1795) sicherte die Neutralität der deutschen Staaten nördlich der Mainlinie bis 1806.
 
Österreich setzte den Kampf fort (Abwehr französischer Vorstöße bei Amberg und Würzburg). Der Krieg entschied sich in Italien, wo Napoléon Bonaparte im Frühjahr 1796 den Oberbefehl übernommen und in einem »Blitzkrieg« Oberitalien und die Toskana besetzt hatte (Kapitulation der Festung Mantua am 2. 2. 1797 nach österreichischen Niederlagen bei Castiglione am 5. 8. 1796, Arcole am 15.-17. 11. 1796 und Rivoli am 14. 1. 1797); durch seinen Vorstoß gegen Wien erzwang Bonaparte den Vorfrieden von Leoben (18. 4. 1797, dem der Frieden von Campoformio (17. 10. 1797 folgte; Österreich stimmte der Abtretung des linken Rheinufers zu; gegen die Abtretung der österreichischen Niederlande und Mailands erhielt es Venedig, das als selbstständige Republik zu bestehen aufhörte. Nur Großbritannien blieb noch im Krieg.
 
Der Krieg der zweiten Koalition gegen Frankreich
 
(1798-1801/02): Die Expansion Frankreichs in Italien (Römische Republik Februar 1798), die Errichtung der Helvetischen Republik (April 1798) sowie die durch Admiral Nelsons Seesieg bei Abukir (1. 8. 1798 gescheiterte ägyptische Expedition Bonapartes führten 1798 zur Bildung einer neuen Koalition zwischen Großbritannien, Österreich, Russland, der Türkei, Portugal und Neapel. Während die Friedensverhandlungen mit dem Reich in Rastatt im Frühjahr 1799 ergebnislos abgebrochen wurden, errang die Koalition bedeutende Erfolge gegen die Franzosen in Deutschland (Ostrach, bei Pfullendorf, 21. 3. 1799 und Stockach 25. 3. 1799), der Schweiz (österreichischer Sieg bei Zürich 4. 6. 1799) und Italien (Rückgewinnung der Lombardei und Piemonts). Die unterschiedlichen politischen Zielsetzungen der verbündeten Mächte und militärische Rückschläge in der Schweiz (2. Schlacht bei Zürich 26./27. 9. 1799) führten jedoch Ende Oktober 1799 zum Ausscheiden Russlands aus der Koalition. Dem aus Ägypten zurückgekehrten Bonaparte, seit November 1799 Erster Konsul, gelang im Sommer 1800 die Wiedergewinnung Oberitaliens (Schlacht bei Marengo 14. 6.), während General J. V. Moreau in Süddeutschland vordrang und München besetzte. Die vom Freiherrn von Thugut geleitete österreichische Regierung fand sich jedoch nicht zum Friedensschluss bereit. Erst die neuerliche Niederlage gegen Moreau bei Hohenlinden (bei Ebersberg, 3. 12. 1800) öffnete den Weg zum Frieden von Lunéville, den der Kaiser nach der Entlassung Thuguts zugleich auch für das Reich am 9. 2. 1801 vereinbarte. Er besiegelte Österreichs Verdrängung aus Italien und die Abtretung des gesamten linken Rheinufers an Frankreich. Es folgten die Friedensschlüsse mit Neapel, Portugal, Russland und der Türkei, zuletzt der Frieden von Amiens (27. 3. 1802) mit Großbritannien, das aber schon 1803 den Kampf wieder aufnahm (Napoleonische Kriege).
 
 
A. M. Chuquet: Les guerres de la Révolution, 11 Bde. (Neuausg. Paris 1903-33);
 S. S. Biro: The German policy of revolutionary France. A study in French diplomacy during the war of the First Coalition, 1792-97, 2 Bde. (Cambridge, Mass., 1957);
 A. B. Rodger: The war of the Second Coalition, 1798 to 1801 (Oxford 1964);
 G. Rudé: Europa im Umbruch (a. d. Engl., 1981);
 J. Godechot: La grande nation (Paris 21983);
 
La patrie en danger 1792-1793, Beitr. v. J. Tranié (Paris 1987);
 G. Ortenburg: Waffe u. Waffengebrauch im Zeitalter der Revolutionskriege (1988);
 
Atlas de la Révolution française, hg. v. S. Bonin u. a., Bd. 3: L'armée et la guerre (Paris 1989).

Universal-Lexikon. 2012.

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